Facing the Future

Im Angesicht der Zukunft

1. Januar 2011

Liebe Sharon, Lieber Jean-Jacques

Ihr werdet bald euren Bund zwar nicht fürs Leben, aber für eine gemeinsame Lebensphase schliessen. Patchwork heisst das Zauberwort unseres Jahrzehnts ­ man erlernt nicht nur mehrere Berufe, sondern sucht auch die zu den verschiedenen Lebensstufen passenden PartnerInnen. Mein Geschenk ist dieser Brief von deinem 95-jährigen Urgrossvater, Jean-Jacques. Nicht handgeschrieben ­ das wäre zwar die Höhe des Luxus, aber ihr seid ja kaum noch in der Lage, handgeschriebene Texte zu entziffern. Ihr vereinigt heute zwei Kontinente. Noch vor einem Jahrzehnt wären das zwei Weltanschauungen gewesen: Europa und die USA ­ da war man schnell mal anderer Meinung. Aber seit Amerika eine Präsidentin hat, die zwischen teuer und wertvoll, zwischen Kaufkraft und Kultur sehr wohl zu unterscheiden weiss, sind sich die beiden Kontinente näher gekommen. Zum Glück, denn so konnten sie gemeinsam an die Lösung der Probleme gehen, was euch nun zugute kommt.

Nach dem Zusammenbruch der Corporate World (Todesursache: Fusionitis) erstarkte das Interesse nicht nur an den KMU, sondern auch an der Tauschwirtschaft, die im Cyber-Age neue Wege ging, oder an der Arbeit für das Gemeinwohl. Es begann mit der Aufsplitterung des grössten IT-Konzerns und ging weiter mit den sich häufenden Meldungen von geplatzten oder erfolglosen Fusionen; daraus folgerte die Einsicht, dass die Menschen, obwohl zu kreativen, innovativen Ideenträgern emporgejubelt, im Grunde nichts anderes waren als anonyme, manipulierbare Spielfiguren beim «Faîtes vos jeux!» der Multis. Es gab keine Revolution, aber die Menschen begannen sich beim Wort «Fusion» gelangweilt, angewidert oder belustigt ab- und sich der realen Wirtschaft zuzuwenden.

Anderseits lernten sie, den Weg vom Arbeitnehmer zum Lebensunternehmer zu gehen: Sie begriffen, dass Dauerstellen passé waren, ein erlernter Beruf nur für einen Teil des Lebens reichte, bei einer Durchschnittslebensdauer von 93,2 Jahren mindestens drei weitere Tätigkeitsfelder angesagt waren, dass sie mal angestellt, mal unternehmerisch tätig wären und dass das alles aufregender war, als sich nach 48 Jahren am selben Arbeitsort mit einer goldenen Uhr verabschieden zu lassen.

Ihr Gemeinschaftssinn erwachte, als es darum ging, wie viel sauberes Wasser ­ der wahre Luxus des letzten Jahrzehnts ­ eine Gemeinde zugeteilt bekam. Anstatt sich um 10 Liter hier, 100 dort zu schlagen oder zu betrügen, kamen einige Gemeinden auf die Idee, den Wasserverbrauch mit Ethik zu kombinieren. Sie entdeckten, dass nur Gemeinschaftssinn sowie eine Rückbesinnung auf Werte wie Anstand, Respekt oder Ehrlichkeit jeder und jedem einen angemessenen Teil des Blauen Goldes zusicherte ­ wie auch, dass man einer einfacheren Lebensweise viel Lebensqualität abgewinnen kann. Ihr Beispiel machte erstaunlich schnell Schule. Sie waren jedoch klug genug zu erkennen, dass zu viel Gemeinschaft nicht gut tut. Noch immer fahren sie lieber alleine im Auto, dafür aber in kleinen, «ökologisch korrekten»

Drei Highlights des ersten Jahrzehnts im dritten Jahrtausend, die euren Start in die gemeinsame Zukunft beeinflussen. Mein Hochzeitswunsch für euch: Nur weiter so! Denn so könntet ihr meinen Ururenkeln eine lebenswerte Welt hinterlassen.

In Liebe euer Thomas

© Dr. Monique R. Siegel, Innovationsberaterin